Der Untergang des britischen Weltreiches - seit Ende der fünfziger Jahre begann die Unabhängigkeitswelle der Kolonien in Afrika, Indien hatte sich bereits 1945 vom ‘Empire’ gelöst - blieb nicht ohne Wirkung auf die Nachkriegsgesellschaft und äußerte sich in einem Zerbröckeln der traditionellen Werte, das sich wiederum kulturell niederschlug.
Währenddessen öffnete sich durch die wirtschaftliche Zentralisierung die Schere zwischen Proletariat und Oberschicht noch weiter als sie es eh schon getan hatte. Die Mittelschicht, die den größten Teil der Bevölkerung ausmachte, die man im übrigen Europa gemeinhin hin als Bürgertum oder Bourgoisie bezeichnete, dünnte noch mehr zugunsten eines sich ausbreitenden ‘Kleinbürgertums’ aus. Unter anderem daraus erklärt sich die bis heute fehlende englische Bezeichnung für ‘Bürgertum’.
Es waren v.a. existenzielle Fragen, die eine neue Schriftstellergeneration beherrschten, die nach dem bahnbrechenden Theaterstück von John Osborne "Look back in Anger"(17) die ‘Zornigen Jungen Männer’ genannt wurden. Trotz und wegen der weiterhin ‘stabilen’ konservativen Strömungen im Land, die als Reaktion auf eine veränderte Welt umso mehr an den alten Werten festzuhalten suchten, begann mit ihnen eine neue, vom Realismus geprägte Gegenkultur. Diese eher intellektuelle Bewegung war Ausdruck eines breite Bevölkerungsschichten erfassenden, neuen Bewußtseins, das die heiligen Kühe britischer Lebensphilosophie mehr als nur in Frage stellte. Auf anderen Ebenen entwickelten sich der Rock’n’Roll der Beatles, der Rolling Stones, der Who u.v.a. Rockgruppen, die Friedens- bzw. Anti-Vietnam-Bewegungen u.a.. Es kam aber keinesfalls zu Massendemonstrationen und -streiks wie in Frankreich, härtesten Auseindersetzungen mit dem Staat wie in den USA oder zu Formierungen sog. ‘terorristischer’ Vereinigungen wie in Deutschland oder Italien im Rahmen der sog. ‘’68er-Bewegung’.
Der Einfluß der (meist konservativen) Oberschicht verringerte sich dennoch und sie und ihre Ideale wurden vielen Briten fremd und erschienen ihnen zunehmends anachronistisch. Nach der Entmystifizierung der altenglischen Tugenden, wie strengste Disziplin, ‘anspruchsvoller’ (bigotter) Sittenkodex oder Distinguiertheit, ebnete sich der Weg für eine umfassendere Kritik. Die neo-realistischen Filme der Sechziger - Ausdruck einer orientierungssuchenden Generation - bannten zum Teil die Theaterstücke der "Zornigen Jungen Männer" auf Zelluloid, wie z.B. Silitoes "The Loneliness of the Long-distance Runner" und wurden durch ihren sozialen Anspruch als ein Sprachrohr einer neuen Generation betrachtet.
Ein anderes Sprachrohr war die Komödie (comedy). Anfang der 60er erlebte Großbritannien einen Satire-Boom, aus dem schließlich auch Monty Python hervorging.
Obwohl in dieser Serie Gesellschaftskritik über Kritik an der Darstellung der Gesellschaft im Medium Fernsehen Hauptinhalt ist und sich eine starke Protesthaltung wiederspiegelt waren die Mitglieder von Monty Python(18) keine ‘Angry Young Men’, sondern eher ‘Funny Young Men’, die den neu entstandenen Spielraum nutzten, um ausgefallene Comedy-Shows zu machen. Nach eigenen Aussagen war die hauptsächliche Motivation aber von Anfang in der Bemühung begründet, die "Leute zum Lachen zu bringen"(19) und nicht, ihnen ein neues Bewußtsein zu geben, was allerdings meiner Einsicht nach dennoch geschehen ist.
Die im nächsten Abschnitt untersuchten Vorgeschichten zeigen Wege auf, die eher in den kommerziellen, etablierten Bahnen einer professionellen Komödianten-Karriere als denen in einer ‘Underground-Subkultur’ verliefen, wo man sie eigentlich vermuten würde und sie die ‘Fans’ auch gerne sehen möchten. Cleese meint zwar, MP sei grundsätzlich links einzuordnen, er selbst distanziert sich aber ein wenig von dieser Haltung.(20)
Für Cleese trifft besonders zu, was für die anderen vier Briten nach Davis mehr oder weniger auch gilt: "(...) far from being a self-confident rebel, he’s ridden with self-doubt and very vulnerable." "A good deal of the Monty Python Comedy (...)" sei aber als Reaktion gegen das System, unter dem sie alle hätten leiden müssen, entstanden. Im Falle Gilliams sei es die Reaktion auf die Umgebung in Kalifornien, wo er aufgewachsen ist und "where everything is based on beauty and health, and the abnormal, the ugly, the unpleasant are hidden away".(21)
Palin, Cleese, Jones, Chapman, Idle und Gilliam waren
also keine Rebellen, die die Welt verändern wollten, höchstens die
Medienwelt, strebten auch keine politische Aufklärung im Brechtschen
Sinn an, sondern waren Kinder ihrer Zeit, die allerdings sehr respektlos,
der aufkommenden Mediengesellschaft ihren Spiegel vorhielten, wie ich noch
genauer zeigen werde.
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