3.4 Aktion

Was die Sprache für das Ohr ist die Aktion für das Auge. Gemeint ist nicht die Handlung, sondern die einzelnen, oft symbolischen, physischen Aktionen der Schauspieler. In der Komödie kann man diese grundsätzlich in Schikanisierungen, wozu traditionell der Slapstick oder ein Äquivalent benutzt wird, und in körpersprachliche Aktionen, die bis zu akrobatischen Einlagen reichen können(131), unterscheiden.
 

    3.4.1 Der Slapstick

    Das "Sixteen-tons-weight" - ebenfalls ein running-gag - ist die schwergewichtige Ausprägung des traditionellen Slapstick, der bei MP ausführlich Verwendung findet. Durch die Übertreibung wird dieses Stilmittel genauso überhöht und parodiert wie durch die Untertreibung im Falle des Ritters, der dem einen oder anderen Protagonisten ein Gummihuhn auf den Kopf schlägt.

    Auch der animierte Stiefel, der den Abspann-Cartoon abrupt beendet, kann, wie gesagt, als überdimensionaler Slapsticks identifiziert werden. Der ursprüngliche Slapstick des Harlekin aus der Commedia dell’Arte, war nur eine von vielen Theaterwaffen, die alle Werkzeuge des (derben) Humors waren und immer noch sind. W.C. Fields glaubte, daß sich Humor immer aus dem Schaden anderer entwickele, und Freud beschrieb als einer der ersten die Verbindung zwischen Gewalt und Humor, indem er das Lachen u.a. als kompensierte Aggression identifizierte.(132) In der klassischen knockabout-comedy, z.B. der Laurel / Hardy-Produktionen, der Filme mit Snub Pollard, aber auch der frühen Chaplin-Komödien und unzähligen anderen großen und kleinen Projekten der Stummfilmzeit, gehörte der verharmloste Einsatz von eigentlich gewalttätigen Aktionen zum Standardrepertoire.

    Die klassischen Grundmotive für den Prügeleinsatz, also Schadenfreude und Freude über die Bestrafung des Bösewichts zu erzeugen, werden durch die Erfindung neuer Theaterwaffen und deren fernseh-dramaturgischen Einsatz neu in Szene gesetzt.

    Die ‘zeitschindende’ "The Show so far" (33) wird mit dem "Sixteen-ton weight" beendet und somit der ‘böse’, weil langweilende Moderator bestraft. Diese rabiate Art, den Protagonisten auszuschalten, erlaubt keinerlei Gegenwehr und bricht den Sketch unwideruflich ab(133) (vgl. Abschn. 4.2.1).

    Gewalt wird, wie im Slapstick üblich, v.a. symbolisch ausgeübt.(134)

    Die TV-Show "How not to be seen" (24), in der sich die Kandidaten verstecken müssen, andernfalls werden sie in die Luft gesprengt, ist eine Symbiose aus drastischem Slapstick und einer Spielshow mit zu allem bereiten Kandidaten.

    In "Take your Pick" (20) erleben wir eine Art interaktiven Slapstick: Dem Kandidaten der Show winkt ein Schlag auf den Kopf als Preis. Das klassische Konzept des Humors weicht einem postmodernen, mit dem Slapstick geschlagen zu werden wird im Zeitalter des ‘Trash-TV’ zum begehrten Erlebnis, die Schikanisierung wird zum Alltagsritual stilisiert. Wie man dann als Opfer richtig schreit, ‘lernt man’ in der Farce "Hitting on the Head Lessons" (29).

    Seit den ‘Keystone-Cops’ des Stummfilmslapsticks ist, neben dem Slapstick des Kaspers aus dem Puppentheater, der Schlagstock(135) des Polizisten, einer der beliebtesten ‘schlagenden Argumente’ geblieben. Polizisten wurden ja schon als Zielgruppe des Spotts benannt. Eins der hervorstechendsten, der ihnen zugewiesenen Merkmale ist ihr freimütiger Umgang mit dem "truncheon". Die "Hitting on the Head Lessons" (29) werden von einem Inspektor ("Flying Fox of the Yard") abgebrochen, der sich ‘schlagfertig’ durch seine Handwaffe artikuliert. Genauso aggressiv tritt "Police Constable Pan Am" (Chapman) im "Chemist Sketch" (17) auf(136): "Look. I must warn you that everything you may say will be ignored and furthermore, given half a chance I’ll put my fist through your teeth. F’tang.F’tang."

    Pan Ams drastische Formulierung weist in diesem Falle auch auf eine Satire auf Polizeibrutalität hin. Überhaupt ist die (symbolische) Gewaltdarstellung bei MP oft sehr drastisch. Im klassichen Slapstick und auch im allgemeinen Genre der Komödie ist dies so nicht üblich. Hier spiegelt sich m.E. die allgemeine Fernsehpraxis wider. Zusätzlich scheint noch ein anderes Moment mithineinzuspielen: Der Polizistensohn Chapman führt die Gewaltdarstellung und den Gebrauch des Slapstick - hier nimmt er Bezug auf den animierten Stiefel, der den Vorspann-Cartoon radikal abschließt - auch auf eine aggressionsableitende Protesthaltung zurück:

    "We were thinking that this boot must come down and crush everyone (...)."(137)
     

    3.4.2 Die Körpersprache

    John Rich, einer der frühen angelsächsischen Harlekine, mußte kein Wort sagen, da hatte er die ersten Lacher schon auf seiner Seite, denn wer die Bühne betritt und sich bald auf die eine Seite beugt, dann auf die andere, hochnäsig die Zehen tippt wie Ballettänzer, einen phantastische Drehung vollführt, dann in Habachtstellung im rechten Winkel zu seinem Schwert, seinen Kopf in unglaublichen Verrenkungen herumwirft, langsam beginnt, sich immer schneller zu drehen bis er wie verrückt herumwirbelt, dann plötzlich seinen Feind ersticht und schwalbengleich durchs Fenster fliegend den Augen der Zuschauer entschwindet, der hat es wirklich nicht nötig - in diesem Fall wäre es auch kaum möglich - auch noch verbal zu agieren.(138)

    Diese für die ‘music-halls’ des 19. und Anfang des 20.Jhds. typische Komödiensprache findet sich im "Ministry of Silly Walks"-Sketch (14) in seiner reinsten Form wieder. John Cleeses Körpereinsatz braucht keine Worte, wenngleich der Sketch auch eine verbale Komikebene besitzt. Der den Sketch beendende Stummfilm über historische ‘Alberne Gangarten’ ist eine Hommage an die Harlekine der ‘Music-Hall’: Einem der letzten, dem kleinwüchsigen Little Tich mit den riesigen Schuhen, ist eine kurze Sequenz gewidmet; 1902 waren erste Filmaufnahmen von seinem berühmten Schuhtanz aufgenommen worden, wodurch er gleichzeitig zu einem der ersten Stummfilmkomiker avancierte.(139)

    "Filmkomödien sind reine Beinarbeit"(140), behauptet Jacques Tati und lehnt sich als Monsieur Hulot so weit nach vorne als ob er sich gegen einen starken Wind lehnen würde, ganz so wie Little Tich es aufgrund seiner überdimensionierten Schuhe vermochte.

    ‘Walk this way’ wird dieses Prinzip der stilisierten Fortbewegung genannt und damit ist nicht gemeint, man solle jemandem folgen, sondern so gehen wie er. Man erinnere sich an den Schlager "Walk like an Egyptian!", dessen groteske, den altägyptischen Malereien nachempfundene Bewegungen prompt Nachahmer fanden. Freud wies schon auf die komische Wirkung hin, die entsteht, wenn etwas mit unverhältnismäßig großem Aufwand betrieben wird.(141) Auch bei den ‘geheimen’ Erkennungsmerkmalen von Geheimbünden, deren Mitglieder in "How to give up being a mason" (17) sich mit komplizierten Handgriffen grüßen und umständlich mit heruntergelassener Hose die Straße auf- und abspringen, trägt die groteske, weil überzogene Körpersprache den Sketch.

    Im allgemeinen wird bei MP nicht sehr viel gegangen, der köpersprachliche Schwerpunkt liegt auf der Haltung, der Mimik und der Gestik.

    Grundsätzlich wird der gesamte körperliche Ausdruck dem stereotypen Charakter angepaßt. Exotische Charaktere erhalten eine eigene Note, wie die ‘Gumbys’, die mit gebeugtem Kopf, stumpfsinnigem Blick, herunterhängenden Armen und O-Beinen unverkennbar zu identifizieren sind. Die Pepperpots dagegen prägt ein verschmitztes Antlitz, die ebenfalls gebeugte Haltung und ein watschelnder Gang, der ansagende ‘It’s-Man’ torkelt umher wie ein betrunkener Clochard, usw..(142)

    In der ‘Sportsendung’ "Testmatch" (20) werden die ‘Sportreporter’ sogar als volltrunken dargestellt. Die einschläfernde Spielweise der Kricketspieler korrespondiert mit den fahrigen Bewegungen der Kommentatoren.

    Anstatt aber unzählige Beispiele verschiedenster mimischer oder gestischer Extreme aufzulisten, will ich hier einmal den umgekehrten Weg gehen und die häufigsten für die individuellen Pythons typischen Ausdrucksformen skizzieren:

    Michael Palin ist oft mit einem eingeschüchterten Blick ausgestattet, er kaut auf der Lippe und tritt von einen Fuß auf den anderen. In anderen Szenen ist er der durchtriebene Manager, Gangster, Moderator, der Zahnstocher oder Kaugummi kauend die ‘Sache schon deichseln’ wird. Mr. Pither aus der "Cycling Tour" (34) und Dino Vercotti aus "Army Protection Racket" (8) stellen die zwei Extreme.

    John Cleese spielt sowohl den Sportler, als auch den autoritären Charakter, sein Körperbau und seine Fähigkeit zu absoluter steifer Haltung und zur Kasernenhofsprache prädestinieren ihn dazu. Abwandlungen davon sind der steife ‘normale’ Engländer, wie Mr.Praline in "Dead Parrot" (8) und zahlreiche Bürokraten. In "The Mouse Problem" (2) schafft er es aber auch, sich als Mr. A ganz klein und schüchtern zu machen.

    Terry Jones wagt am meisten: Er mimt die ausgefallendsten Charaktere, wie z.B. Pithers Antagonist Gulliver oder den "Secretary of State Striptease" (20). Besonders auffällig ist seine Fähigkeit Grimassen zu schneiden, die er meist dazu verwendet, die Schattenseiten des Lebens oder zwielichte Gestalten mimisch darzustellen, wie z.B. in "Coffeetime" (19) als Nigel oder als Luigi Vercotti in "Army Protection Racket" (8).

    Eric Idle ist der geborene Entertainer, seine Spezialität sind elegante Rhethorik und Bewegung, den Übergang zur Schleimigkeit schafft er, z.B. als Timmy Williams dem Counterpart zu Nigel, spielend. Zum Klassiker geworden ist seine verklemmte Mimik und Gestik in "Nudge, Nudge" (8), sein Pepperpot ist besonders weiblich und obwohl Chapman der Homosexuelle in der Truppe war, war Idle die überzeugendste "Pooftah".

    Graham Chapman ist am überzeugensten als bedächtiger Wissenschaftler, geldgieriger Arzt u.ä., seine Gestik ist meist ruhig, bestimmt und selbstsicher, die Mimik eher zurückhaltend. Er besticht am meisten durch sein ernstes Gesicht, in das sich aber schnell ein irres Zucken einschleichen kann, wie im "Psychiatrist / Silly Sketch" (13).

    Terry Gilliam ist, wenn er auftritt, für alles zu haben. Er kann seinen Mund wahnsinnig breit ziehen, zu bewundern in "The Spanish Inquisition" (15) als Kardinal Fang oder als bohnenschaufelndes Mitglied der "Most Awful Family in Britain" (45).
     
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