3 UNTERSUCHUNGEN ZUM INHALT

3.1 Themen und Genres

    Innerhalb des Genres Komödie kann Monty Python mit dem Begriff ‘Variety-Comedy-TV-Show’ bezeichnet werden.

    Die ersten drei Teile dieser - zugegebenermaßen etwas umständlichen, aber meiner Erkenntnis zufolge treffendsten - Nomenklatur dürften inzwischen als obligatorisch anerkannt worden sein. Der Show-Charakter sollte an dieser Stelle allerdings etwas genauer betrachtet werden. Die Mitglieder der Truppe bezeichneten ihr Ouevre selbst immer wieder als Show und die einzelnen Sequenzen als Sketche; insofern würde es sich also um eine Sketch-Show handeln.

    Die Ordnung der quasi vollständigen Liste der Sketche im Anhang unterscheidet zwischen Sketchen, die ein Medium als Rahmen haben und solche, die in eine ‘natürliche’ Umgebung gesetzt sind. Die Sketche, die im Studio, auf der Bühne, vor dem Mikrofon des Interviewers oder auch über den Äther gespielt werden, sind Satiren über das jeweilige Medium, bzw. Satiren über dessen Rezeption im Fernsehen. Man könnte MP demnach auch als Multi-Media-Show bezeichnen.

    Monty Python wäre aber nicht Monty Python, wenn sich alle Sketche in diese zwei Schubladen, medial und nicht-medial, pressen ließen. Es handelt sich lediglich um eine Orientierung, die durch weitere Unterteilungen etwas präzisiert wird. Zwei große Gruppen von Sketchen müssen zudem ausgenommen werden: Einmal sind das die von mir so genannten Farcen. Darunter habe ich alle jene Sketche bzw. Sequenzen zusammengefaßt, die weder einer inneren noch einer äußeren Logik folgend, oft in repetetiver Weise, noch öfter in unberechenbarer Richtung fortschreitend ihren Witz nicht aus einer Pointe, sondern ausschließlich aus dem Stil der ‘Performance’ ziehen (Abschn. 3.1.2).

    In einen Abschnitt habe ich auch die Medien-Kombinationen zusammengefaßt, da in diesen Sketchen die Mediatisierung (s. Abschn. 3.1.3.4) am weitesten fortgeschritten ist.

    Da die Themenauswahl mit der Rezeption des jeweiligen Mediums korrespondiert, habe ich die Ordnung der Liste der Sketche im Anhang der Ordnung der Abschnitte über die Themen angepaßt.

    Zentralthemen einer Folge, wie das Thema Hamlet in der 43. Folge können allerdings lediglich Zugpferdthemen sein (s. Tab. 6). Regelmäßig eingeschobene Inserts oder Zwischenschnitte können entweder vom Thema ablenken, oder es auf einer anderen medialen Ebene fortführen. Andere Inserts, beispielsweise Cartoons, erscheinen oft willkürlich und transportieren nach dem Prinzip "And now..."
    (s. Abschn. 4.2.4) neue Themen in die Performance. Hoff bemerkt in diesem Zusammenhang die oft unfreiwillige Themenmontage im Fernsehen, die - analog zu einer technischen Montage - zwei Themen so miteinander verbinde, daß sie eine neue Aussage generiere.(59) Da diese Montage bei MP keine fahrlässige Ausnahme, sondern beabsichtigte Regel ist, muß die hier vorgenommene Differenzierung als Modell betrachtet werden.

    Diese Show ist also mehr als nur eine Sketch-Parade oder eine Multi-Media-Show. Es handelt sich vielmehr um einen medialen Jahrmarkt, einen von einem zum anderen Thema fliegenden Zirkus, einem Fernseh-Zirkus freilich, gesetzt in eine visionäre Programmstruktur, wie ich zu zeigen beabsichtige.

     

      3.1.1 Klassische Sketche

      Die Themen dieser Sketche sind so breit gestreut wie das Leben selbst, private Bereiche werden ebenso verwendet wie öffentliche Angelegenheiten.

      Regelmäßig frequentiert werden Vorgänge in Krankenhäusern, Gerichtssälen und Polizeirevieren. Zusammen mit den Sketchen, die sich um den Verkauf einer Ware, die Dienstleistung einer Firma, einen gastronomischen Aufenthalt, den Besuch eines Amtes oder die Zustände beim Militär drehen, stehen sie ganz in der Tradition klassischer Stereotypen.

      Aber selbst diese werden entweder verkehrt (a) oder miteinander auf absurde Weise verwoben (b):

      (a) Ein Verbrechen soll legal begangen werden ("Non Illegal Robbery" 6 / vgl. Abschn. 4.2.1), der Eheberater verführt die weibliche Hälfte des um Rat suchenden Pärchens ("Marriage Guidance Counseler" 2), ein Engländer gibt Italienern Italienisch-Unterricht ("Italian Lesson" 1), die Teilnehmer eines Selbstverteidigungskurses können sich nicht gegen die Angriffe ihres Lehrers verteidigen ("Self Defense" 4), Einsiedler leben in einer Gemeinschaft zusammen ("Hermits" 8), der "Cheese-Shop" (33) hat keinen Käse usw..

      (b) Ein "Mr.Atilla the Hun" (13) zeigt sich bei der Polizei wegen Plünderung einer Großstadt selbst an, italienische Gangster erpressen das britische Militär ("Army Protection Racket" (8), ein Milchmann bietet psychiatrische Dienste an ("Psychiatrist Milkman" 16) oder ein Ministerium für alberne Gangarten ("Ministry of Silly Walks" 14) entsteht.

      Auf einer anderen Ebene sind viele Sketche knallharte Attacken gegen bestimmte Berufstände, bzw. Angriffe gegen deren idealisierte Darstellung im Fernsehen. Ärzte, deren Patienten vor ihren Augen verbluten, während sie einen Golfschlag einüben ("A Doctor whose patients..." 45)(60), Polizisten, denen während einer Ermittlung das Gehirn operiert werden muß ("Agatha-Christie-Sketch" 11)(61), oder Richter, die wünschten in Südafrika zu sein, wo es jeden Tag drei garantierte Todesurteile gebe ("Court Scene / Charades" 15), gehören beispielsweise dazu. Die Liste ist lang und wird später im Abschnitt über die stereotypen Charaktere fortgesetzt.

      Grundsätzlich kann man feststellen, daß die in Standardsituationen gesetzten Stereotypen immer grotesken Modifikationen unterzogen werden, so daß von den klassischen Themen nur noch ein Gerüst oder das eine oder andere Element zurückbleibt. Die meisten Modifikationen vollziehen sich zudem auf mehreren, sowohl inhaltlichen, als auch zusammenhaltlichen, Ebenen gleichzeitig, wie die folgenden Kapitel und Abschnitte zeigen werden.

      Wie stark sich ein klassisches Thema verzerren lassen kann, bzw. wie weit sich die Geschichte vom eigentlichen Thema entfernen kann, zeigt der "Buying a bed"-Sketch aus Folge 8, in dem der Verkäufer jedesmal nach der Nennung des Wortes "mattress" sich eine Tüte über den Kopf zieht, worauf die Angestellten in einer Kiste stehend singen müssen:(62)

      Manager (Cleese): Did somebody say ‘mattress’ to Mr.Lambert!

      Manager and Verity continue to sing. Lambert takes bag off head, manager exits after pointing a warning finger at bride and groom.

      Verity (Idle): (getting out of chest)He should be allright now but don’t, you know, just ...don’t.

      Groom (Jones): Oh no no no, er we’d like to see, see the dog kennels, please.

      Lambert (Chapman): Yes, 2nd floor.

      Groom: No, no look. (pointing) These dog kennels here, see?

      Lambert: Well, If you meant mattresses, why didn’t you say a mattress (...)

      Groom: Well, I mean you put a bag over your head last time I said mattress.

      Bag goes on. Groom looks around guilty. (...) Verity heaves a sigh, jumps in the box.
      Manager comes in and joines him. They sing ‘And did those feet...’(63) Another assistant comes in.

      Assistant (Palin): Did somebody say ‘mattress’ to Mr.Lambert?

      Verity: Twice.

      Assistant: Hey everybody, somebody said ‘mattress’ to Mr.Lambert, twice.

      Assistant, groom and bride join in the therapy.
       

      3.1.2 Farcen

      Vom zuletzt zitierten ‘klassischen’ Sketch ist es nicht weit zu den Farcen(64), allerdings werde ich werde an dieser Stelle nicht den Fehler begehen, die vielfältigsten Themen der Farcen anzusprechen. Sie können in der Liste im Anhang nachgesehen werden. Trotzdem kann die Abgrenzung von den klassichen Sketchen nicht nur strukturell, sondern muß auch thematisch begründet werden. Es waren daher - in leichter Abwandlung der benannten Definitionen - v.a. zwei Aspekte entscheident: Erstens sind die Farcen oder bzw. farcenhaften Sketch-Sequenzen von vorneherein in Ausnahmesituationen gesetzt, zweitens wurde die Themen-Verfremdung und -Verkehrung sehr intensiv betrieben.

      Die Pepperpots - geschwätzige Hausfrauen, deren aufgetürmte Haare wie eine Pfeffermühle aussehen sollen und die von allen Pythons selbst gespielt werden - tauchen als ‘running-farce’ immer wieder auf. Oft werden sie ‘Mrs. and Mrs.’ betitelt, selten folgen ihre Dialoge bekannten Wahrnehmungsmustern ("Piston Engine" 43):(65)

      Mrs.Non-Robinson (on radio): Morning Mrs.Robinson

      Mrs.Robinson (on radio): Morning Mrs. Non-Robinson

      Mrs.Non-Robinson: Been Shopping?

      Mrs.Robinson: No,...I’ve been shopping

      During this exchange there have been six cuts to close-ups of radios of different shapes and sizes.

      Mrs.Non-Robinson: What’d you buy?

      Pull out to reveal a pepperpot. Mrs.Non-Gorilla sitting beside a radio on a park bench.

      Mrs.Robinson (on radio): A piston engine.

      Mrs.Non-Robinson: What’d you buy that for?

      Mrs.Robinson: It was a bargain.

      Mrs.Non-Gorilla (Idle): Bloody rubbish. (she turns the radio off)

      Dieselbe Szene wird nach weiteren Einschüben in Variationen noch zweimal mit Mrs.Gorilla / Non-Gorilla und Mrs.Smoker / Non-Smoker wiederholt bis sie am Ende in Shakespeare-Zitate mündet.

      Schon in der zweiten Folge tauchen die Pepperpots das erste Mal auf und waren von Anfang durch einen dadaistischen Stil geprägt.(66) Genauso wie die Auftritte der Gumbys, eine nicht weniger dadaistische ‘running-farce’, stellen sie ihre eigenen Themen. Die Pepperpots transportieren Tratsch und Klatsch und die Gumbys Primitivität (vgl. Abschn. 3.2.2):(67)

      Gumby (Cleese) (standing in water): I would put a tax on all people who stand in water (looks around) ...Oh

      Im allgemeinen entstehen die Farcen durch sprachliche Konstruktionen, aber auch durch handlungsverweigernde, quasi-dramaturgische und filmtechnische Tricks, welche alle noch in den folgenden Kapitel genauer erörtert werden sollen. Trotzdem soll hier eine der brilliantesten Farcen etwas eingehender betrachtet werden, um dem Wesen dieser besonderen Sketchform besser auf die Spur kommen zu können.

      "The Spanish Inquisition" ist das Leitthema der 15. Folge, aber keinesfalls das Hauptthema. Die drei Inquisitoren setzen auf den Überraschungseffekt und stürmen eines Müllers Wohnzimmer um die Jahrhundertwende. Dieser hätte die Redewendung "I didn’t expect a kind of Spanish Inquisition" besser nicht verwendet:(68)

      (...) The door flies open. (...)

      Ximinez (Palin): Nobody expects the Spanish Inquisition. Our chief weapon is surprise...surprise and fear...fear and surprise...our two weapons are fear and surprise...and a ruthless efficiency. Our three weapons are fear, surprise and ruthless efficiency and an almost fanatical devotion to the pope...Our four...no...amongst our weaponry are such elements as fear, surprise...I’ll come again. (exit and exeunt)

      Als die zweite Ansprache ebenfalls mißlingt, weil der furchteinzuflößende Text vergessen wurde, wollen die Kardinäle ohne weitere Reden zur Folter übergehen, jedoch weder das Spülgestell, noch die weichen Kissen oder der gemütliche Sessel können ein Geständnis erpressen helfen. Zum Schluß verpassen die bedauernswerten Inquisitoren noch ihr Stichwort, als wieder jemand jene Redewendung gebraucht ("Court Scene / Charades" 15).

      Hilflos sind die Inquisitoren den Widerspenstigkeiten der modernen Welt ausgeliefert, sie müssen im Bus ein Ticket lösen, nichts will gelingen. Die ganze Farce erweckt den Eindruck, als hätte sie die Redewendung unfreiwillig wieder zum Leben erweckt und fast genauso war es dann auch. Michael Palin, der den Sketch schrieb, berichtet, als er diese Redewendung zu Papier gebracht hatte, sei ihm in den Sinn gekommen, die "Spanish Inquisition" an dieser Stelle zum Leben zu erwecken. "It was just stream of consciousness."(69)
       

      3.1.3 Parodien und Satiren

      Parodien sind ein beliebtes Mittel bei Monty Python; so beliebt, daß das bis zur Eigenparodie führt: "We kept on parodying each others’ sketches and styles", verrät Terry Jones.(70) Aus den multi-medialen und individuellen (Selbst-)Referenzen ließen sich daher unzählige Querverweise und Parodienebenen extrahieren, dies würde aber zu keinem Ergebnis führen, das den Aufwand rechtfertigte. Daher sollen diese Verweise und Referenzen ‘nur’ exemplarisch angeführt werden. Eine empirische Erfassung, wie sie für die Sketcharten vorgenommem wurde(71), muß an dieser Stelle einer hermeneutischen weichen. In den sich anschließenden Unterabschnitten werden also die medialen Themen der Satiren, bzw. die parodierten Medien untersucht.

      Der Vollständigkeit halber muß an dieser Stelle noch angeführt werden, daß viele der klassischen Sketchthemen ebenfalls Satiren sind. Sie sind z.B. Gesellschaftssatiren oder Satiren über die erwähnten Berufsstände. Darüberhinaus können bei MP Parodien mit Satiren kombiniert sein. Oft sind Parodien von medialen Darstellungen, beispielsweise von Fernsehsendungen oder von Filmen, mit Satiren, beispielsweise über die Produktion einer Fernsehsendung oder eines Filmes, verbunden (vgl. Abschn. 4.1). Im folgenden und in der Liste der Sketche im Anhang sind sie nach den parodierten Medien unterteilt. Zusätzlich sind in der Sketchliste noch die am häufigsten rezipierten Medienrezeptionen, nämlich die Parodien und Satiren von und über das Fernsehsen nach den einzelnen Programmsparten aufgegliedert.

       

        3.1.3.1 Fernsehparodien und Satiren auf das Fernsehen
        Parodien auf Fernsehsendungen und Satiren über das Medium Fernsehen sind die Kernthemen, um die sich ein Großteil der Sketche drehen.

        Zwei Typen von Parodien können dabei unterschieden werden: Auf der einen Seite sind da diejenigen, die sich auf real existierende Fernsehsendungen, wie z.B. die BBC-News, die meist in kurzen Ansagen persifliert werden(72), beziehen. Auf der anderen Seite sind da die allgemeinen Parodien, die ganze TV-Genres zur Zielscheibe wählen. Sie sind bei weitem häufiger anzutreffen und bisweilen durchaus visionär, vergleicht man die inzwischen fast dreißig Jahre alten Sketche mit dem teilweise realsatirischen Fernsehalltag von heute.

        Eine Show, bei der man einen Schlag auf den Kopf gewinnen kann ("Take your Pick" 20)(73) ist letztendlich nur die drastische, aber treffende Darstellung des Prinzips der Unterhaltungsshow: Kandidaten lassen sich für die Aussicht auf einen mehr oder weniger großen Gewinn oder meist einfach nur wegen der Möglichkeit im Fernsehen zu erscheinen für ein oft einfaches Frage- und Antwortspiel benutzen und nicht selten lächerlich machen. Dieses Prinzip der Vorführung, oftmals auch die Schwächen und Gebrechen der Kandidaten ausnutzend, birgt schon von Natur aus eine unfreiwillige Komik und zwar nicht nur weil die Kandidaten sich zum Narren machen, sondern weil ihnen dieser Umstand nicht bewußt oder gleichgültig zu sein scheint.(74)

        Nur um eventuell eine "beautiful lounge suite" gewinnen zu können, wetteifern Karl Marx, Che Guevara, Lenin und Mao-Tse-Tung um die Antworten auf die unfairen Fragen des Moderators. In diesem Fall verstärkt der in ‘realen’ Shows oft eingesetzte Prominentenbonus, d.h. die Kandidaten sind alle aus dem öffentlich-medialen Leben bekannt, den Vorführungseffekt. Der Moderator nimmt keine Rücksicht auf ihren Status und entmystifiziert so den Prominenten, wodurch jener ebenso verwundbar wird wie ‘Otto-Normalkandidat’. In "’World Forum’" sind sich selbst die großen kommunistischen Idole nicht zu schade, sich für einen Auftritt im Fernsehen vom alles beherrschenden Moderator an der Nase herumgeführen zu lassen ("Communist Quiz" 25).

        Dieser ‘allmächtige’ Moderator, analog zum ‘allwissenden Erzähler’, ist auch in der Sensationsshow-Parodie "’Interesting People’" (11) anzutreffen. Menschen mit (angeblich) außergewöhnlichen Merkmalen oder Fähigkeiten werden wie am Fließband serviert. Während man sich über den streichholzgroßen Mr.Stooges, den Mann, der interressiert am Schreien ist und über "Mr.Maniac from Guatemala, who can sent bricks to sleep" amüsiert, vergißt man fast die dem Sketch immanente Kritik, die man durchaus als Satire auf den Umgang der Fernsehmacher mit dem Individuum Mensch im Medium Fernsehen sehen kann.

        Diese satirische Kritik sticht besonders im Falle des "wonderful Mr.Williams" hervor, der sich in seiner "’Coffeetime’" (19) mediengerecht in Szene setzt, während ein alter Freund sich erschießt, weil Williams - sich selbst als Wohltäter preisend - die Hilferufe des am Boden Zerstörten mit strahlendem Lächeln ignoriert hatte.(75)

        Auch soap-operas werden kritisch betrachtet, wie z.B. die "’Attila the Hun Show’" (20), die den Hunnenherrscher als Vater einer Fernsehfamilie zeigt, der nach einem anstrengenden Arbeitstag ("Another merciless sweep across Central Europe") in sein trautes Heim zurückkehrt und mit Wortspielen konserviertes Gelächter herauskitzelt (vgl.auch: die mediale Kombination "Most Awful Family in Britain" 45):(76)

        (...) Attila (Cleese): Hi, Jenny, hi, Robby. (brief canned applause) Hey, I’ve got a present for you two kids in that bag. (they pull out a severe head). I want you kids to get a-head.

        Enormous strick of canned laughter and applause. (...)

        In dieser Szene steckt ebenfalls mehr als nur eine Parodie auf die einfach gestrickten ‘soap-operas’. Der stereotype Umgang mit Geschichte im Fernsehen wird hier mit Hilfe einer extremen Trivialisierung satirisch aufbereitet.

        Diese Kritik an der klischeehaften, undifferenzierten Darstellung geschichtlicher Ereignisse spiegelt sich ganz besonders deutlich in den TV-Magazin-Persiflagen wider, wie z.B. der Bericht über die Entwicklung einer Agrargesellschaft im 19.Jhd., der - von einer sachlichen, männlichen Stimme gesprochen - einer Dame in Reizwäsche in den Mund gelegt wird ("Eighteenth Century Legislation" 11).

        Ähnlich verhält es sich mit der Kritik an der Auswahl der politischen Themen, wenn z.B. der Ansager ankündigt:(77) "Well, everybody is talking about the Third World War which broke out this morning. But here on ‘Nationwide’ we get away from that a bit and look instead on the latest theory that sitting down regurlarly in a comfortable chair can rest your legs." ("’Nationwide’" 43)

        Überhaupt sind politische oder gesellschaftsrelevante Sendungen ein beliebtes Angriffsziel: Der "gefährliche Pseudoanspruch"(78) spiegelt sich auch in Parodien auf Reportagen wider, meist ergänzt mit Interviews, wie im Falle des Mr. A, der als Betroffener des "Mouse Problems" (2) (vgl. Tab. 3) - vorgeblich anonym - befragt wird, sein voller Name inklusive Adresse aber eingeblendet und langsam vorgelesen wird. Hier handelt es sich um eine komplette Reportage mit Moderator, Experten- und Betroffeneninterview, Montagen und Dokumentaraufnahmen bis hin zu geheimen Amateuraufnahmen, die hinter die Kulissen des ‘Problems’ blicken, eine Reportage allerdings, die in sachlicher Form die Beteiligten diskriminiert:(79) "We have some film now taken of one of the notorious weekend mouse parties, where these disgusting little perverts meet."

        Wilmut hält diesen Sketch für die Allegorie einer Dokumentation über Drogenabhängigkeit.(80) Hintergrund ist m.E. aber eher die Ende der sechziger Jahre beginnende öffentliche (mediale) Diskussion um die Emanzipation Homosexueller und deren sexueller Orientierung, die, in oft scheinbar liberaler Form diskutiert, dennoch als Problem behandelt wurde. Das Wort "perverted" und andere sexuelle Anspielungen weisen in Richtung dieser Interpretation. In "The Mouse Problem" wird das Thema ‘Entdeckung der (eigenen) Homosexualität’ in das, freilich absurde, Thema ‘Mensch-Maus-Metamorphose’ umgewandelt, so daß durch diese satirische Kritik ausgedrückt wird, daß nicht der Homosexuelle pervers ist, sondern die Art wie er in den Medien dargestellt wird.(81)

        Bei dieser und bei anderen Reportagenparodien ist zudem noch ein weiterer, von MP stark beachteter, medialer Aspekt, nämlich die zwanghafte Suche nach Sensationen und die Konstruktion von Medienereignissen, Zielscheibe der Kritik. Da werden Expeditionen dargestellt, die in drei Wochen eine belebte Straße in der Innenstadt ‘besteigen’ ("Climbing the North of the Uxbridge-Road" 33) und die vom Reporter ob ihrer Kühnheit gepriesen werden. Es werden Amateurforscher gespielt, die die "Emigration from Surbiton" (28) zum Nachbarort Hounslow, ganz im Stile Thor Heyerdahls und seiner Kontiki, mit dem Auto nachvollziehen oder "Kamikaze-Scotsmen" (38) werden vom Reporter wegen ihrer Konsequenz gerühmt, all diese Sensationsthemen sind entsprechend den Praktiken des Boulevard-Journalismus an den Haaren herbeigezogen.

        Es ist also festzustellen, daß einerseits wichtige Themen, wie der Ausbruch des dritten Weltkrieges oder auch die Frage nach der Existenz Gottes(82) zurückgenommen, andererseits Unbedeutendes aufgebauscht und zur Sensation stilisiert wird.

        Bei den Interviews hingegen wird die Belanglosigkeit zur Farce gesteigert, und zwar sowohl ihren Verlauf als auch ihren Inhalt betreffend: Der ganze Name des ‘berühmten’ "Johann Gambolputty" (6) ist z.B. so lang, daß er den Großteil der Interviewzeit in Anspruch nimmt.(83) Dem Interviewpartner "Raymond Luxury Yacht / Throatwobbler Mangrove" (19) wird der Auftritt im Fernsehen verweigert, weil der Moderater ihn für "too silly" hält und auf "Whickers Island" (27) lebt die vom Aussterben bedrohte Art der Interviewer. Zur Familie der Reporter zählend, können sie in ihrem ‘Reservat’ den ganzen Tag ihren Lieblingsbeschäftigungen nachgehen, nämlich berichten und Interviews führen.

        Tendenziell lassen sich also an den Programmsparten verschiedene Themen festmachen:

        TV-Reportagen persiflieren Sozialreportagen und Berichte über Expeditionen. Bei TV-Talkshows bietet die Auswahl der Gäste den größten Angriffspunkt, weshalb beim ‘MP-Talk’ u.a. Bäume, Enten, Katzen und Eidechsen, aber auch Verstorbene geladen werden.

        Die Sensationsgier vieler TV-Shows und die scheinbare Omnipotenz des Moderators wird in Parodien wie "Blackmail" (18) und "Prejudice" (37) in beißende Satire verwandelt.(84) TV-Magazine zielen v.a. auf Wissenschafts-, Wirtschafts und Politmagazine. Ein interessantes Beispiel stellt die Live’-Dokumentation über Mollusken dar ("Molluscs ‘Live’-TV-Documentary" 32). Der Moderator kommt selbst in die Wohnung, um dann unter Zuhilfenahme eines Pappfernsehers die Dokumentation zu präsentieren. Zuerst kommt das Thema beim älteren Ehepaar nicht an, als sie den Tierforscher aber ‘abschalten’ wollen, erweitert dieser jedoch sein Themenspektrum:(85)

        Zorba (Cleese): The randiest of the gastropods is the limpet. This hot-blooded little beast with it’s tentlile shell is always on the job. (...) Frankly I don’t know how the female limpet finds the time to adhere here to the rock-face. How am I doing?

        Mrs.Jalin (Chapman): Disgusting

        Mr.Jalin (Jones): But more interesting

        Die Gratwanderung der Fernsehmacher zwischen Anspruch und Einschaltquoten wird hier offenbar. Der Kommunikator ist in einem Raum mit dem Empfänger und kommuniziert mit ihm direkt. Auf die Gefahr des Kommunikationsabbruches, also des Umschaltens, reagiert er prompt und modifiziert die Thematik. Der ansonsten längere Prozeß der Rückkopplung wird hier modellhaft gerafft. Der Kommunikator weiß auch ganz genau, was die Zuschauer eigentlich sehen wollen, aber sich nicht einmal zu wünschen wagen. Der ‘Fernsehmann’ macht ihnen die Entscheidung leichter, indem er den gewünschten Sex in ein Wissenschaftsmagazin verpackt bzw. sein Magazin den Wünschen des Publikums anpaßt. Beide Schlußfolgerungen sind hier zulässig, denn die Frage, ob das Magazin den Sex transportieren oder der Sex das Wissenschaftsmagazin verkaufen helfen soll ist wie die Frage nach der Henne und dem Ei; in beiden Fällen aber muß der Anspruch zurückgestellt werden (vgl. Abschn. 4.2.3).
         

        3.1.3.2 Filmparodien und Satiren über den Film
        Die Parodie auf ein konkretes Werk ist hier ebenfalls in der Minderheit:

        Die zahnärztlichen Geheimagenten ("Secret Service Dentists" 4) sind wohl in ‘James-Bond-Manier’ in Szene gesetzt, parodieren aber zugleich das ganze Genre des Agentenfilms. Jeder neu auftretende Agent überrascht den vorherigen mit einer noch größeren Waffe. Am Ende dieser Kette steht allerdings der typische psychopathische Bösewicht der James-Bond-Filme, der - mit allerlei technischem Schnickschnack ausgestattet und souverän die Fäden in der Hand haltend - aus Demonstrationszwecken sein liebstes Haustier Flopsy tötet.

        "Salad Days" (33) hingegen parodiert ganz offen mit Nennung des Regisseurs den blutrünstigen Stil von Sam Peckinpah. Kleinste Mißgeschicke erzeugen ein Blutbad, welches mittels Zeitlupe und fröhlicher Laubenmusik zum audiovisuellen Happening gerät.

        "Dennis Moore" (37) ist somit die einzige Persiflage, die ganz explizit eine bestimmte Geschichte demontiert. Diese Geschichte ist die des Robin Hood, die allerdings schon so oft verfilmt wurde und die, sowohl in der Realität als auch in den Medien, soviele Nachahmer gefunden hat, daß man eigentlich schon von einem eigenen Genre sprechen kann. Die Geschichten um den Beschützer der Armen funktionieren alle nach dem bekannten stereotypen Schema, welches aber bei konsequenter Durchführung so seine Tücken hat, wie der Held am Ende feststellen muß:(86)

        Song: Dennis Moore, Dennis Moore. Riding through the land. Dennis Moore, Dennis Moore. Without a merry band. He steels from the poor and gives to the rich. Stupid bitch.

        Dennis Moore reins to sudden halt and rides over to camera.

        Moore (Cleese): What did you sing?

        Singers (speaking): We sang ... he steels from the poor and gives to the rich.

        Moore: Wait a tic ... blimey, this redistribution of wealth is trickier than I thought.

        "Dennis Moore" parodiert also die Handlung, bzw. eine Legende, wohingegen "Salad Days" sich ganz auf den Stil konzentriert. Auf diese zwei Herangehensweisen lassen sich auch die meisten Filmparodien aufteilen. Eine Ausnahme bilden die Vor- und Abspannsatiren "Twentieth Century Vole" (6), "Credits of the Year" (39) und "Party Hints..." (31). Hier wird explizit die künstliche Dramaturgie von Filmpräsentationen zur Zielscheibe gewählt, Abspänne werden zum Medienereignis hochstilisiert und avancieren dadurch von der Programmverbindung zum -segment. Ähnlich verhält es sich auch mit dem "Filmtrailer" in Folge 42, der Filmvorschauen im Wochenschaustil präsentiert und mit der filmdramaturgischen Satire am Ende der 41. Folge ("Different endings"), in der sich der Protagonist einen Schluß aussuchen kann.

        In der Filmsatire "Scott of the Sahara" bzw. "Scott of the Antarctic" (23) ist die Filmproduktion selbst das Thema. Im Verlaufe der Dreharbeiten geht es nicht nur darum, ob die Hauptdarstellerin in einem Graben oder auf einer Kiste stehend spielen muß, sondern das Thema des Films wandelt sich auch aus banalen Gründen vom Drama in der Eiswüste über ein Abenteuer in der Sandwüste bis hin zu einem Monsterfilm und wechselt damit das Genre.

        Am umfangreichsten gestalten sich aber die Auseinandersetzungen mit den klassischen Unterhaltungsgenres:

        Abenteuerfilmparodien wie "The Lost World of Rouirama" (29) beziehen sich ganz konkret auf die stereotype Handlung ihrer trivialen Vorbilder; analog zu den Expeditionsreportagen wird das Heldentum einer drastischen Entmystifizierung unterzogen. In "Lost World..." haben die Schauspieler zudem noch ihren Text vergessen, womit einmal mehr, wie auch in den folgenden Beispielen, auf die Irrealität des Fernsehens angespielt wird.

        In der Thrillerparodie "Déjà Vu" (16) z.B. wird der Protagonist in einer Zeitschleife gefangen gehalten, die ihn davon abhält, sein Gespräch mit einem Psychiater fortzusetzen. Indem die Szene einfach wiederholt wird, wird die ‘Zeitfalle’ extrem künstlich konstruiert. Somit wird zugleich darauf hingewiesen, daß die Überwindung von Zeit und Raum durch einfache Schnittechnik vollzogen wird (s. Abschn. 4.1).

        In "Ypres 1914" (25)(87), hauptsächlich ein scharfer Angriff auf den Pathos vieler Kriegsfilme, also eine inhaltliche Auseinandersetzung, müssen erst Astronauten, Indianer u.a. aus dem Set entfernt werden und die erste Szene noch einmal wiederholt werden, bevor es losgehen kann. Dasselbe passiert übrigens auch im "Life-boat / Cannibalism-Sketch" (26). Der Anfang der Szene ‘muß’ mehrmals wiederholt werden, dann können sich die ‘Totgeweihten’ auf hoher See nicht einigen, wer gegessen werden darf, als sie sich dann endlich geeinigt haben, bestellen sie bei einer herbeieilenden Bedienung Avocados und andere Kleinigkeiten zur Ergänzung des kannibalistischen Mahls. Die Unwirklichkeit fernsehspezifischer Darstellung wird so schockhaft ins Absurde gesteigert.

        Der Gerichtsfilm, gerade in den Sechzigern ein beliebtes Genre, erlebt ein gleich fünfmaliges Comeback, die klassischen Kreuzverhöre werden v.a. rhetorisch parodiert. Der Sketch "Judge Not" aus der Camridge Circus Revue "A Clump of Plinths" (1963) kann als direkter Vorläufer der ‘Pythonschen Justiz’ gesehen werden.(88)

        Daneben ist auch Science Fiction ein beliebtes Thema bei MP: Einerseits sind da die Superheldenparodien, "Mr.Neutron" (44) und "Bicycle-Repair-Man" (3), die mit Verkehrungen arbeitend Stil, Handlung und Technik zugleich parodieren.(89) Andererseits ist da der Riesenpinguin, der gegen "Scott of the Sahara" (23) kämpft und natürlich der "Science-Fiction-Sketch" (7), der weiter unten als Beispiel für eine satirische Ton-Montage dient.(90) (s. Abschn.4.1.3 u. Tab. 10)

        Erwähnt werden sollen an dieser Stelle noch die Parodien auf den Stummfilmslapstick, eigentlich eine Unmöglichkeit, die durch Einsatz der mythologisierten Königin Victoria und ihres Premierministers als Protagonisten einer typischen ‘knockabout-comedy’, bei der der eine immer solange wartet bis ihn sein Gegenüber mit einer Torte beworfen oder einem Eimer Farbe übergossen hat, verwirklicht wird ("Queen Victoria" 2). Rezeptionen des Stummfilm-Slapstick finden sich auch im "Changing on the Beach"-Sketch (4). Für Johnson kommt bei diesem Sketch der "visual style" des Autorenduos Palin / Jones besonders zum Ausdruck. Jones, in seiner Eigenschaft als Bewunderer Buster Keatons, fügt hinzu, daß das genau der Stil zu filmen gewesen wäre, den sie bei David Frost gelernt hätten.(91)

        Ein Zuckerstückchen für Kenner ist die Parodie auf die minimalistisch Nouvelle-Vage. Der "French Subtitled Film" präsentiert sich in der 23. Folge als ein französischer Film mit Untertiteln, in dem die Darsteller pseudo-existentialistische Phrasen auf einer Müllkippe zum besten geben. Ihr trostloses Dasein wird durch kurze Einblendungen von Kriegsdokumentationen als scheinbare Rückblenden symbolisiert. Ein Filmkritiker konstruiert noch zwanghaft eine gesellschaftlich relevante Aussage: Die lahmen Dialoge seien Sinnbild für den "...breakdown in communication in our modern society" und die eingeblendeten Kriegsszenen ständen für die "violence underlying our society".(92)
         

        3.1.3.3 Theaterparodien
        Sketche sind von ihrer ursprünglichen, ‘klassischen’ Darstellungsweise zwar theaterhaft, daß dies aber durch die Mediatisierung bei MP nur sehr bedingt der Fall ist, ist schon angedeutet geworden und wird noch weiter präzisiert werden (s. Abschn. 4.2.1). Was die hier aufgelisteten Beispiele aber auszeichnet, ist eine, spezifisch auf das Theater, vornehmlich auf das Boulevardtheater, noch spezieller auf englische Kriminalstücke gemünzte Parodie. Dabei kann man genausogut eine Kriminalfilmparodie interpretieren, die Edgar-Wallace- oder Agatha-Christie-Verfilmungen ins Visier nimmt, die dann auch im Fernsehen zu sehen sein könnten.

        Die Darstellungsweise ist aber eher die eines ‘Theaterstücks’ oder einer Fernsehinszenierung im Theater: Wenige, längere Einstellungen, eine feste Kamera- blickrichtung und das Auftreten der Protagonisten von rechts oder links sind unverkennbare Anzeichen. Die ansonsten obligatorische Montage wird hier zugunsten einer stehenden Kamera oder einer Mise en Scène zurückgenommen, allerdings nicht ganz abgeschafft.

        Dominierend sind also die Kriminalstücke, mit dem immer wiederkehrenden "Inspector (...) of the Yard", der als typisch englischer (Kriminal-)Charakter schwer von den Demontagen betroffen ist. In Folge 22 muß er sich gar einer kurzfristigen Hirnoperation unterziehen, um den ‘komplizierten’ Fall wieder aufnehmen zu können. Die Suche nach dem Mörder (zuerst gibt es keine Leiche) wird zur Farce. Als das Licht dann mehrmals ausgeht (Schwarzblende), ist jedesmal ein neuer Toter zu beklagen, erst ist es der Inspector selbst, dann werden die nachfolgend eintretenden Beamten ermordet bis sie sich letztendlich auf dem Sofa auftürmen. Es ist das stereotype Prinzip der ‘zehn kleinen ‘Negerlein’’, bei dem ein Protagonist nach dem anderen dahinscheidet.

        Eine interessante Variante ist die Persiflage in Folge 24 ("Agatha Christie / Timetables"): Alle Darsteller sprechen von nichts anderem als Zugverbindungen, die sie alle auswendig kennen. Der Mörder wird durch ungenaue Kenntnis der Fahrpläne entlarvt, sein Motiv war, die Platzkarte seines Onkels zu erben.

        In Folge 29 ist von einer (inneren) Logik, wie sie hier noch anzutreffen ist, nichts mehr zu finden. Der Fall des toten Bischofs wird durch die "Church Police" ‘gelöst’, indem Gott selbst befragt wird und dieser mit einem (animierten) Fingerzeig auf den Täter deutet.

        Mit dieser - ich möchte sie hier als ‘parodisierende Dramaturgie’ bezeichnen - Technik funktioniert auch das "Working-Class-Playwright" (2), das einen Generationskonflikt der ganz besonderen Art zum Thema hat: Durch die Kombination leidender, stückeschreibender Vater und glücklicher im Kohlebergbau arbeitender Sohn bekommt das verbreitete Motiv vom Vater, der über die Berufswahl seines Sohnes vergrämt ist, einen völlig neues Antlitz.

        Neben diesen inhaltlichen Parodien werden auch andere Aspekte des Theaters beleuchtet: Bei den "Montgolfier Brothers" (40) ist der Schauspieler, der den Butler mimt, offenbar ein Star, denn die kleinste Geste bekommt Szenenapplaus, wodurch der Fortgang des Stückes erheblich behindert wird.

        Nicht behindert wird die Aufführung eines Schultheaterstücks "Seven Brides for Seven Brothers" (18) und zwar weder durch den Mangel an Spielern, noch durch die heruntergeleierten Dialoge. Cleese, der selbst im Schultheater begann, spielt den verzweifelten Rektor, der die Aufführung bis zum bitteren Ende durchzieht:

        Padre (Palin): "Right, do you four boys take this two girls for your seven brides?"

        Auch im Bereich Theater werden die kunstvolleren Genres von MP ‘bedient’: Die englischen Romantiker Shelley, Keats und Wordsworth ("Poetry Reading / Ants" 41) sind als Vortragende romantischer Gedichte über Ameisen genauso Zielscheibe wie der für seine philosophischen Redewendungen berühmte Oscar Wilde ("Oscar-Wilde-Sketch" 39):(94)

        Prince of Wales (Jones): My congratulations, Wilde. Your latest play is a great success. The whole of London’s talking about you.

        Oscar (Chapman): There is only one thing in the world worse than being talked about, and that is not being talked about.

        There are following 15 seconds of restrained and sycophantic laughter.

        Prince of Wales: Very, very witty...very, very witty!

        Whistler (Cleese): There’s only one thing in the world worse than being witty, and that is not being witty.

        15 more seconds of the same.

        Oscar: I wish I had said that.

        Dieser Sketch ist ein hervorragendes Beispiel für die reduzierte und banalisierte Darstellung großer Kunst in den audio-visuellen Medien. Das umfangreiche und tiefgründige Werk des Oscar Wilde wird und auf seine, freilich nicht zu Unrecht, berühmten Sprichwörter beschränkt und damit auf einen Allgemeinplatz verwiesen.
         

        3.1.3.4 Kombinationen
    Eins der hervorstechendsten Merkmale von MP ist - neben der anarchistischen Struktur - die Kombination, gegebenenfalls auch die Kontrastierung, verschiedenster Themen, Genres und Medien. Der sich daraus ergebende Stil ist wohl das, was man ‘typisch MP’ nennen kann, denn hier handelt es sich um eine Innovation, die in ihrer Konsequenz praktisch keine Vorläufer hat.

    Praktisch nicht einzuordnen sind Kombinationen wie "Julius Cesar on an Aldis Lamp" (15), in der Julius Caesar seine berühmten letzten Worte mit einer Signallampe kundtut, wie Shakespeares "Measure for Measure" (22), das unter Wasser aufgeführt wird oder wie Theaterstücke in Ameisensprache ("Ant Communication" 41). In jedem Fall wird dadurch kritisiert, wie im Fernsehen kulturelles Gut verpackt wird, weil man dort glaubt, es nur so an den Mann bringen zu können. Shakespeare alleine genügt nicht (vgl."Hamlet" 42), er muß unter ‘sensationellen’ Bedingungen stattfinden. Die Mediatisierung der Kultur (Hickethier s. Kap. 5), d.h. die Vereinnahmung sämtlicher Kultur durch das Medium Fernsehen, tritt daher bei den Kombinationen besonders deutlich zutage.

    Die Gerichtsverhandlung, die als Charade geführt wird (15), dadurch zur Spielshow mutiert und bei der der Angeklagte aufgrund eines Mißverständnisses als "Gill-cup" (anstatt "guilty") befunden wird, weist stellvertretend für alle Kombinationen deutlich auf die - oftmals im Fernsehen kritisierte - unscharfe Trennung verschiedener Programmsparten hin. Infotainment heißt das Stichwort, in den siebziger Jahren in den USA als Bezeichnung für unterhaltende Nachrichtensendungen geprägt, ist heute Allgemeinbegriff für die zunehmende Programmdiffusion.

    Die Sketche "Secretary of State Striptease" (20) und "Prime Minister Ramsay McDonald" (24) zeigen hochrangige Politiker, die sich mit einem Striptease zu profilieren suchen und stellen somit auf die Spitze getriebene ‘Infotainments’ dar.

    Der Virus der Programmdiffusion infiziert bei MP alle Themenbereiche: Spezialeinheiten der Polizei verfolgen beispielsweise betrügerische Regisseure, die sich für einen berühmten Kollegen ausgeben ("Fraud Film Squad" 29) oder ein Reporter reist extra in ein südamerikanisches Krisengebiet, um über Vorratsgläser zu berichten ("Storage Jars" 33).

    Dieser Stil betrifft besonders die zahlreichen Verweise auf Shakespeare. Eigentlich wollte ich dieses Moment im Abschnitt über die Theaterparodien ausweiten, jedoch selbst die Folge 43 mit dem Titel "Hamlet" bleibt, wie gesagt, keineswegs auf das Medium Theater, geschweige denn das Thema ‘Hamlet’, beschränkt (Tab. 6):

    Erst jagt Hamlet als Protagonist einer amerikanischen Krimiserie im Straßenkreuzer durch die Stadt, nur um dann in einer Psychiaterpraxis zu landen, in der sich mehrere ‘Psychiater’, bis hin zu einem Computer, um die Behandlung streiten. Gerade mal 16 Sekunden in der 6.Sequenz und zum Schluß 82 Sekunden in den Abspann hinein ist eine Theateraufführung zu betrachten. Allerdings wird Ophelia nach kurzem Dialog wieder weggeschickt, weil sie die gleichen (sexuellen) Fragen wie die unfähigen Psychiater stellt. Am Ende schneidet der Abspann die sinnlosen Dialoge zwischen Hamlet, Ophelia und vier ‘Queen Victorias’ ab.

    Kein Wunder also, daß es im Kabinett von MP auch ein Krankenhaus für "Over-acting" gibt, in dem u.a. Richard III.-Darsteller behandelt werden müssen ("Hospital for Over-actors" 25). Shakespeare ist schließlich in Großbritannien mehr als nur eine Theatertradition. Die komplette Demontage ergibt sich meiner Erkenntnis zufolge gerade aus der Omnipräsenz Shakespearschen Schaffens, womöglich auch aus dem Zwang heraus, sich als (angelsächsischer) Theaterschaffender immer an ihm messen lassen zu müssen. Möglich ist auch eine Hommage an die ‘Clowns’ Tarlton und Will Kempe, denen es bei der Aufführung der Shakespearestücke erlaubt war, zu improvisieren und Vermittler zwischen Schauspieler und Publikum zu sein und an deren unorthodoxes Auftreten, verglichen mit der Ernsthaftigkeit mit der Shakespeare heute behandelt wird, erinnert wird.(95) Außerdem gehören Shakespeare-Sketche fast schon zum Standard-Repertoire britischer Komödianten.(96) Insofern ist es folgerichtig, Shakespeare mit einem gebührend großen Anteil zu bedenken. Dabei handelt es sich auch hier - und darauf kann man nicht oft genug hinweisen - um die Rezeption der Rezeption, um die parodisierende Darstellung der Darstellung Shakespeares im Fernsehen; daß diese in der künstlich erzeugten Programmvielfalt untergeht ist beabsichtigt und der Kern der Kritik.

    Aber auch eine derartige Programmkombination wie in "Hamlet" erfährt noch einmal eine Steigerung, bzw. wird in einer Art Selbstreflexion wiederum persifliert. Die Macher der "Tuesday Documentary" (32) können sich offenbar nicht entscheiden, welchen Beitrag sie jetzt eigentlich senden wollen:(97)

    "(...) SUPERIMPOSED CAPTION: ‘TODAY IN PARLIAMENT HAS NOW BECOME THE CLASSICAL SERIAL’

    (...) SUPERIMPOSED CAPTION: ‘THE CLASSICAL SERIAL HAS NOW BECOME THE TUESDAY DOCUMENTARY’

    (...) SUPERIMPOSED CAPTION: ‘THE TUESDAY DOCUMENTARY HAS NOW BECOME "CHILDREN’S STORY"’

    (...) SUPERIMPOSED CAPTION: ‘THE "CHILDREN’S STORY" HAS GONE BACK INTO THE TUESDAY DOCUMENTARY’

    (...) SUPERIMPOSED CAPTION: NO IT HASN’T

    (...) SUPERIMPOSED CAPTION: ‘NOW IT’S BECOME A PARTY POLITICAL BROADCAST’

    (...) SUPERIMPOSED CAPTION: ‘NO, SORRY. "RELIGION TODAY"’

    (...) SUPERIMPOSED CAPTION: ‘MATCH OF THE DAY’

    (...) SUPERIMPOSED CAPTION: ‘POLITICIANS - AN APOLOGY’"
     
     
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